Umbruch im arabischen Raum: Ägypten

Nach 30 Jahren ist es dem Volk gelungen das Regime zu stürzen. Erst nach drei Tagen der Proteste schlossen sich mehrere Tausend Menschen den bereits demonstrierenden Jugendlichen an. Eine Bewegung die sowohl gewaltsame Eskalationen als auch Momente des Heimatgefühls hervorbrachte. Dabei waren es doch „nur“ Videos auf Youtube, Einträge auf Facebook und Twitter, die eine historische Wende in diesem Land einleiteten.

Ihre Forderungen sind Freiheit und Demokratie für Ägypten, aber auch politische Mitgestaltungsmöglichkeit. Den Tag des Zorns ausrufend gingen Jugendliche in der ersten Protestwelle auf die Straßen in der Hauptstadt Kairo, um gegen die Brutalität der Polizei zu demonstrieren.

Geschichte

Seit 1967 herrscht der Ausnahmezustand mit nur einer kleinen Unterbrechung von 18 Monaten in den Jahren 1980 und 1981. Dadurch besitzen Mitglieder der Polizei und des Geheimdienstes Sonderrechte. Als Hosni Mubarak in diesem Jahr nach der Ermordung des ägyptischen Präsidenten Anwar El Sadat als neues Staatsoberhaupt ernannt wurde, war er noch beliebt. Doch die steigende Arbeitslosigkeit, Wahlbetrug und das schlechte Bildungs- und Gesundheitssystem sind nur wenige Gründe für die Antipathie der Menschen und vermehrt Unmut über das gesamte Regime. Das Notstandsgesetz, welches ursprünglich gegen Terroristen? und Drogendealer vorgesehen war, wurde in den letzten Jahren jedoch immer mehr gegen Oppositionelle und regimekritische Bürger angewendet. Seine Aufhebung war eine der wichtigsten Forderungen der protestierenden Masse.
Angefangen haben die Unruhen schon viel früher. „Bewegungen wie die „6. April Bewegung“, die“ Kifaya“ („Es reicht“) Bewegungen und viele mehr, haben Schritte in die richtige Richtung gesetzt“, meint Ahmad, ein junger ägyptischer Aktivist.


Auslöser

Die Hauptursachen für die Unruhen waren die Unzufriedenheit über das Regime, fehlendes Mitspracherecht der Bürger, Zensur, erhöhte Korruption im Land, Arbeitslosigkeit und wachsende Armut. Zudem war die Bevölkerung protestbereit, da zu diesem Zeitpunkt die Revolution in Tunesien erfolgreich stattgefunden hatte. Diesem Beispiel wollte die ägyptische Bevölkerung folgen. Außerdem wollte das Land einen Umbruch, da Husni Mubarak? immerhin schon 30 Jahre lang an der Macht war.

Auch die Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Muhammed Bouazizi und die darauffolgende Revolution waren ein Impuls. Jugendliche standen anfangs im Vordergrund der Proteste, doch ab dem 28. Jänner sei das ganze Volk auf die Straße gegangen. Die 26-jährige Asmaa Mahfouz bereitete die Masse für die geplante Aktion schon Wochen davor vor. Sie sprach die Menschen an, rüttelte sie wach und öffnete ihnen die Augen für ihre Rechte auf die Straße zu gehen. Tatsächlich sind ihr auch viele gefolgt.


25.Jänner und Folgen

„Nationaler Feiertag zu Ehren der Polizei“, steht unter dem 25. Jänner jedes Jahres im ägyptischen Kalender. Und erinnert an die Erfahrungen eines jeden Ägypters und einer jeden Ägypterin mit dieser Instanz. Dabei sollten die Polizisten, doch die sein, die die Menschen in diesem Land beschützen, nicht verletzten, verhaften und sogar foltern. An diesem Tag wollten Jugendliche heuer ein Zeichen gegen die Brutalität der ägyptischen Polizei setzen und gingen auf die Straße. Jedoch wussten sie nicht welche Ausmaße es annehmen wird und welche Konsequenzen es mit sich bringen würde. Und zugleich damit an den 25-jährigen Khaled Said erinnern, dessen Fotos (eines, das ihn in einem Sweater lächelnd zeigt, und ein anderes, das ein nicht wiedererkennbares Gesicht seiner Leiche zeigt) schon seit dem Vorfall im Sommer durch den Internet kursieren.

Das brennende Hauptquartier der Regierungspartei NDP



Der Blogger wurde auf offener Straße von Polizisten ermordet. Er war jung und wurde somit zur Symbolfigur in dieser Revolution. Jugendliche haben keine Perspektive, keine Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft. Ägypten hat drei Millionen arbeitslose Akademiker, ungefähr 25% der Absolventen finden keinen Job.


Ein politisches Bewusstsein, sei bei den meisten Menschen nicht vorhanden gewesen, weiß Ahmad. Dieses sei erst langsam bei den Studenten auf den Universitäten entstanden. Dabei galten diese seit längerer Zeit als politisch desinteressiert und ziellos. „Es war ein kleiner hartnäckiger Kern“, beschreibt Karim El-Gawhary, freier Journalist und Nahostexperte, die aktiven Jugendlichen in Ägypten. Diese hätten mehrmals Aktionen gestartet, um sich ihre Rechte zu erkämpfen. Zuletzt protestierten muslimische und koptische Studenten anlässlich des Anschlags auf die koptische Kirche in Alexandria. „Der Sturz des Regimes war schon damals der Slogan“, meint El- Gawhary.
In den letzten Tagen des Protests beteiligten sich immer mehr Menschen. Geschätzte 365 Personen sind bei dieser Revolution gestorben.


Rücktritt Mubaraks und Folgen

Am 11. Februar nach 18 Tage des Protests erschien der vom Mubarak ernannte Vizepräsident und kündigte Mubaraks Rücktritt an. Seither übernahm das Militär die vorübergehende Macht. Diese sichern saubere Wahlen und die Aufhebung des Notstandsgesetzes.
Die Menschen haben noch immer den Willen auf Veränderung. Und sind bereit wieder auf die Straße zu gehen. Der Tahrir Platz? ist zum Merkmal geworden.


Verfassungsänderung

Nach dem Rücktritt Mubaraks übernahm das Militär in Ägypten vorläufig die Macht. Nun soll es schnell weitergehen, in Richtung „change“. Gleich zu Beginn erklärte das Militär das Notstandsgesetz für ungültig und versprach eine zivile Regierung. So kam nur vier Tage nach der Machtüberahme ein Gremium zustande, das die Verfassung überarbeiten soll. Nachdem die Kommission aus Juristen Vorschläge für die Verfassungsänderung brachte, sollen Ägypter über diese innerhalb von zwei Monaten in einem Referendum abstimmen. Insgesamt schlug die Expertenkommission elf Änderungen an neun Artikel der geltenden Verfassung vor. Die Reaktionen sind unterschiedlich, einerseits ruft die gutorganisierte Muslimbruderschaft zu einem JA auf und andererseits sind einige Vertreter der Jugendbewegungen und andere liberale linke Oppositionskräfte dagegen. Am 19.03.2011 entscheiden 45 Millionen ägyptische Bürger über die Verfassungsänderung, die laut dem Militär eine freie und demokratische Wahl eines neuen Präsidenten und Parlaments ermöglichen und den Weg zur Ausarbeitung einer völlig neuen Verfassung ebnen soll.


Mubarak während der Revolution


Mubarak versuchte als die Situation brenzlig zu werden schien, noch mit aller Macht die Demonstranten zu unterdrücken. Doch als dann schließlich auch das Militär und die Polizei auf die Seite der Demonstranten übertraten erkannte sogar Mubarak, dass er was unternehmen sollte. Er ernannte, um das Volk noch schnell zu beschwichtigen, den von der Bevölkerung geliebten Omar Suleiman zum Vizepräsidenten und verkündete öffentlich, dass er bei den nächsten Wahlen nicht kandidieren würde. Doch das Volk ließ sich durch dieses schon sehr oft gegebene Versprechen, nicht beschwichtigen. Es wurde zu neuen Massenprotesten aufgerufen um Mubaraks endgültigen Rücktritt rauszuholen. Das Ziel wurde erreicht. Am 11. Februar erklärte man Mubarak für zurückgetreten. Die Macht wurde vorläufig dem Militärrat zugeteilt. Welcher sofort Wiedererbauungs- und Reinigungswege einleitete. Mubarak floh mit seiner Familie außer Landes wurde aber nach kurzer Zeit mitsamt seiner Familie inhaftiert. Er wurde zu einer Gerichtsverhandlung vorgeladen. Die Anklage lautete, Korruptionsverbrechen. Während einer Befragung erlitt er einen Herzinfarkt und musste in eine Klinik gebracht werden. Sein derzeitiger Standort ist noch unklar, aber Experten vermuten, dass er mit seiner Familie in der Ferienvilla in Scharm El-Scheich lebt.


Das neue Parlament


Die erste Parlamentssitzung fand am Montag, dem 23. Jänner statt. Bei über 6000 Kandidaten und mehr als 40 politischen Parteien, die zur Wahl standen,kam es zu folgenden Mächteverhältnissen im Parlament. Insgesamt waren 498 Sitze zu vergeben:

  • 73% der Mandate fielen an islamistische Parteien
  • Stärkste Kraft: Muslimbrüder mit 47,2% der Stimmen (entspricht 235 Mandaten). Obwohl sie sich selbst als "moderat islamisch" bezeichnen, lehnen sie eine Trennung von Religion und Staat ab. Vor allem Laizisten, Christen und Frauen stehen ihnen misstrauisch gegenüber.
  • Radiakl-islamische "Partei des Lichts": 24,3% der Stimmen (entspricht 121 Sitzen). Zu dieser Partei zählt auch das Lager der Salafisten, fundamentale Islamisten, die unter anderem das islamische Recht durchsetzen, sowie Alkohol und Bikinis aus Urlaubsorten verbannen wollen. Sie eifern dem Leben des Propheten Mohammeds nach, tragen traditionelle, weiße Kleidung und Vollbärte. Frauen sind bis auf einen Augenschlitz vollständig bedeckt.
  • 3. und 4. Platz: liberale Parteien mit 38 bzw. 34 Sitzen. Sie tragen im Moment goldene Schärpen als Zeichen des Protests gegen die 12.000 Zivilisten, die vom Militär im letzten Jahr vor Gericht gestellt wurden.
  • Für 40 Millionen Ägypterinnen sind nur 12 Frauen (2,4%) im Parlament vertreten. Unter Mubarak gab es noch die Quote: mind. 64 von 518 Mandaten

Die Aufgabe des Parlaments besteht in den nächsten Monaten darin, eine neue Verfassung auszuarbeiten.


Ein Jahr nach der Revolution


  • Die Medien genießen mehr Freiheit. Jedoch unterliegen kritische Beiträge weiterhin der Zensur. Manche Blogger wurden wegen Kritik am Militär verhaftet.
  • Nichtregierungeorganisationen sind in ihrer Arbeit eingeschränkt.
  • Aktivisten sprechen von Verfolung und Unterdrückung durch den Militärrat (12.000 Menschen mussten seit der Revolution vor ein Militärgericht - mehr als in den 30 Jahren unter Mubarak zuvor)
  • Das Militär ließ rund 5000 politische Gefangene frei.
  • Ein neues Parteiengesetz erlaubt den freien, unabhängigen Zusammenschluss von Parteien. Die Regierungspartei hat keine Kontrolle über die Opposition.
  • Die Rolle und Macht des neuen Parlaments ist noch nicht festgelegt, da der Militärrat versucht, sich ein Veto-Recht für wichtige Parlamentsentscheidungen zu sichern.
  • Die Gründung von Gewerkschaften bleibt im Stocken, solange die Generäle dem betreffenden Gesetz nicht zustimmen.
  • Der Prozess gegen Mubarak ist noch immer nicht abgeschlossen.
  • Viele hochrangige Vertreter des alten Regimes wurden wegen Korruption verurteilt.
  • Frauen spielten eine wichtige Rolle in der Revolution und erlangten neues Selbstbewusstsein.
  • Die Wirtschaftslage hat sich seit der Revolution nicht gebessert. Es herrscht weiterhin hohe Arbeitlosigkeit und Armut. Der Zugang zu Bildung ist beschränkt.

Wegen vieler der oben genannten Gründe gibt es in Ägypten derzeit wieder Proteste. Man hat außerdem Zweifel, ob die Generäle im Juni 2012, wenn ein neuer Präsident gewählt werden soll, wirklich zurücktreten werden.


Quellen:
http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-12327995
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/2/0,3672,8202242,00.html
http://derstandard.at/1297216135271/Social-Web-Aegyptische-Revolution-Volksaufstand-Gefaellt-mir
http://www.aljazeera.com/news/middleeast/2011/01/201112515334871490.html
http://www.labournet.de/internationales/tn/benali4.html
http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/aegypten-mindestens-365-tote-bei-demonstrationen-_aid_600698.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2011-02/aegypten-militaerrat-blogger-verfassung
http://www.taz.de/1/politik/nahost/artikel/1/neue-verfassung-ist-auf-dem-weg/
http://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_in_%C3%84gypten_2011#Ursachen
http://de.wikipedia.org/wiki/Revolution_in_%C3%84gypten_2011

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Seite zuletzt geändert: am Freitag, 09. März 2012 18:32:03 von Lea B.


Am 2. Februar fand in Port Said ein Fußballmatch statt. Fans von Al-masry (Heimmannschaft) stürmten nach dem Sieg über Kairos Mannschaft Al-ahly das Feld. Dutzende wurden totgetrampelt, erstickten oder wurden erstochen. Insgesamt starben mehr als 70 Menschen.
Es stellt sich nun die Schuldfrage für dieses Desaster:
Viele sagen, es hatte nichts mit Fußball zu tun, sondern mit der derzeitigen politischen Situation. General Tantawi äußert, die Täter wollten Ägypten destabilisieren und verspricht Strafen.
Die Muslimbrüder sehen das Militär und die Polizei mitschuldig, ihr Nicht-Eingreifen und die Eskalation sollen sie bei ihrem Ziel, ein restriktives Notstandgesetz einzurichten, bestärken. Das Chaos beim Match ist ein willkommener Grund für deren zukünftigen Machterhalt. Liberale und Jugend stimmen ihnen zu.
Es gibt auch Stimmen, die behaupten, man wollte die Ultras, ein gut organisiertes Fußballfannetzwerk, die vor allem an den Auseinandersetzungen mit der Polizei während der Revolution beteiligt waren, bewusst treffen.
Ultras: „Sie wollen uns bestrafen für unsere Teilnahme an der Revolution gegen die Unterdrückung“. Sie versprechen: "einen neuen Krieg zur Verteidigung unserer Revolution“. Meinungen unter dem Volk zu den gewaltbereiten Ultras sind geteilt.

In TV-Aufnahmen sieht man wie die Polizei tatenlos zusieht wie hunderte al-Masry Fans mit Messer, Metallstangen und Steinen bewaffnet das Feld stürmen, al-ahly Spieler und deren Fans verzweifelt zu fliehen versuchen, die Ausgangstore aber verschlossen blieben. Bei den Sicherheitskontrollen vor dem Spiel gab es außerdem kein Waffenverbot, bei der Eskalation schließlich keine Warnungen und kein Eingreifen von Seiten der Sicherheitskräfte.

Die Kriminalität ist in Ägypten seit der Revolution gestiegen. Die Polizei, sagt man, ist nicht in der Lage Routineaufgaben zu erfüllen, wird von der Öffentlichkeit nicht mehr respektiert. Die Freiheit und Gerechtigkeit-Partei der Muslimbrüder und die anderen Parteien sehen daher in der notwendigen Polizei-Reform eine ihrer ersten großen Bewährungsproben. Das Gefühl von Sicherheit hat höchste Priorität.

Nach dem Desaster von Port Said kam es zu neuerlichen Protesten und Zusammenstößen mit der Polizei am Tahrir-Platz. Vor allem der Einsatz von Tränengas führte zu hunderten Verletzten.

Viele glauben, das Desaster von Port Said war geplant. Ungewiss ist, von wem.



Als man in unseren Regionen das erste Mal über die Medien von den Protesten in Ägypten hörte, war vielen unklar, ob das gut gehen könne. So war es letztendlich eine umso größere Überraschung, dass alle weitgehend friedlich und mit Erfolg vor sich ging. Anders als in Libyen, wo die Revolution heute noch nicht ,, vollendet" ist, haben sich in Ägypten die Revolutionsführer durchgesetzt und Mubarak als Machthaber abgelöst. Diese Revolutionen haben im kompletten nahen Osten eine Welle von Protesten gegen deren Machthaber ausgelöst (zum Beispiel in Libyen,Bahrain und Tunesien).

Ein Video zur Revolution wen es interessiert : http://www.youtube.com/watch?v=WPN1MdfLLNE



http://www.youtube.com/watch?v=UpcO2xTx-jM&feature=relmfu
Man sieht was für eine Menschenmasse auf der Straße war und wie viele im Einsatz waren.
Auch sieht man, dass die Menschen auch in der Nacht keine Ruhe hatten.


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